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Miniatur_Monika Helfer: Löwenherz

dtv, 2022.


«Wenn es einen Mann ohne Eigenschaften gebe, dann sei Richard der Mann ohne Antrieb gewesen. Zugleich war er fasziniert von der Passivität meines Bruders, weil er darin eine Weltsicht zu erkennen glaubte, die ihm selbst fremd war. Er wollte von ihm lernen. Die Welt einfach nur anschauen. Und das so lange, bis es nicht mehr genügte. Ab wann genügte es nicht mehr, die Welt nur anzuschauen? Und wenn es bis ans Ende genügte? Die Welt hatte viel zu bieten. Mehr, als irgendein Mensch zu bieten hatte. Es wäre vergeudete Zeit, die Welt nicht anzuschauen und stattdessen irgendetwas zu tun – sich zu unterhalten, mit anderen ein Bier zu trinken oder im Auto herumzufahren, Liebe zu machen, sich nicht nur in die Badewanne zu legen, sondern sich abzuseifen, einem Kindchen die Windeln zu wickeln und ihm die Buchstaben und Ziffern in Spiegelschrift beizubringen oder einer verheirateten Frau, die man liebt, einen Heiratsantrag zu machen. Immer gibt es mehr zu schauen, als zu tun. Das steht fest. Am Ende werden wir alle sagen: Wir haben zu viel getan und zu wenig geschaut. Was dann?»

S. 93


Richard hat ein Löwenherz. Er ist ein Prinz, der mit leichtem Gepäck durch das Leben geht. Immer bereit zu gehen. Bis Putzi in sein Leben tritt, wie ein Koffer, den jemand bei ihm stehen lässt. Putzi ist ein kleines Mädchen und Richard auf einmal ein Papa. Und das ist auf die schlichteste und aufrichtigste Weise schön, die man denken kann. Doch dann wird der Koffer abgeholt, Putzi dem Papa entrissen und das Leben bleibt leer. Und Richard geht dann bald, kein Grund zu bleiben.


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# den beiden vorangegangenen Büchern «Die Bagage» und «Vati»

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